- Quelle: Pinneberger Tageblatt, Kay Müller am 23.06.2018
Der Auftakt war schmerzhaft: Am 26. März 2017 wollte Daniel Günther beim Flensburger Stadtwerke-Lauf symbolträchtig seinen Wahlkampf starten. Doch dann zwickte die Wade und dem damals fast völlig unbekanntem CDU-Spitzenkandidaten schien noch vor der zehn Kilometer-Marke die Puste auszugehen, während ein Großteil der 750 Läufer locker an ihm vorbei joggte. Doch Günther gab nicht auf – nicht das Rennen und auch nicht den Kampf um die Kieler Staatskanzlei.
Gut 15 Monate und inzwischen drei erfolgreiche Wahlen später läuft es für den Kapitän der Jamaika-Koalition wie geschmiert – ob als Sieger bei Promi-Rennen, als Ministerpräsident im Champagner-Regen oder als Hoffnungsträger der Bundes-CDU: Daniel Günther, der in dieser Woche ein Jahr im Amt ist, ist gewachsen.
Günther hat das politische Geschäft von der Pike auf gelernt, seine Grundregel lautet: Konflikte werden abgeräumt bevor sie unkontrollierbar eskalieren. So wurde sein Vorgänger als Parteivorsitzender und Spitzenkandidat, Ingbert Liebing, sofort nach dem Sieg bei der Landtagswahl nach Berlin „weggelobt“. Der CDU-Landtagsfraktion blieben so Loyalitätskämpfe erspart. Und mit Tobias Loose, dem Chef der Jungen Union, rückte ein wichtiger Günther-Unterstützer in den Landtag nach. Aber auch potenzielle Streitthemen wie Grunderwerbssteuer, Lehrerbesoldung oder das millionenschwere Kommunalpaket packte Günther an, bevor die Opposition daraus Kapital schlagen konnte. Das Entlastungsgeschenk für die Städte und Gemeinden gab es – sicher nicht zufällig – rechtzeitig vor der Kommunalwahl am 6. Mai.
Daniel Günther ist weder ein Landesvater wie Peter Harry Carstensen (CDU), noch ein pastoraler Präsident wie Torsten Albig (SPD). Gerade im Vergleich zu seinem Vorgänger werden die Unterschiede deutlich: Natürlich hält auch Daniel Günther Reden, Ansprachen und Grußworte, aber deutlich kürzer als Albig. Dafür nimmt sich Günther anschließend Zeit für persönliche Gespräche mit den Menschen – der Ministerpräsident ist nicht nur dabei, er ist mittendrin. Auch die Koalition führt er ausgleichend, lässt den Partnern sogar Raum für gelegentlich abweichende Positionen. Für SPD-Chef Ralf Stegner, der Koalitionsdisziplin über alles stellt und seine Regierungsbündnisse eher monolithisch geführt hat, ein Unding. „Bei Jamaika macht jeder, was er will“, bilanzierte der Oppositionsführer anlässlich von zwölf Monaten Schwarz-Grün-Gelb im Kieler Landtag.
Günther erhält bundespolitisches Gewicht
Der Erfolg in Kiel hat auch Günthers bundespolitisches Gewicht erhöht, aber erst sein Auftreten in den Koalitionsverhandlungen und in der Ministerpräsidenten-Runde haben ihn neben den Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und Hessen, Armin Laschet und Volker Bouffier sowie der CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer in den engsten Zirkel um Bundeskanzlerin Angela Merkel aufrücken lassen. Zugleich gilt Günther auch als Vermittler zum Merkel-kritischen Parteiflügel um Gesundheitsminister Jens Spahn. Dabei versucht auch der Chef der Nord-CDU seine Partei zu modernisieren. Jünger, weiblicher und offen für heutige Lebens- und Familienmodelle sollen die Christdemokraten werden – diesen Kurs fuhr Günther schon als Landesgeschäftsführer der CDU.
Mehr als 1300 Termine hat Daniel Günther in seinem ersten Jahr als Ministerpräsident absolviert – von der Eröffnung der Kieler Woche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) über Gremiensitzungen bis zum Ausgraben von elf Millionen Jahre alten Walknochen in Groß Pampau. Trotzdem ist mindestens ein Abend in der Woche für die Familie reserviert und das Schlafzimmer ist für Handy & Co. tabu. Günther, der mit Ehefrau Anke das zweite Kind erwartet, weiß um die Vergänglichkeit von Erfolg in der Politik – sein Anker ist die Familie. Trotzdem ist auch er eitel genug, um sich selbst zu googeln, wie er zugibt.
Auf dem Nominierungsparteitag zur Europawahl verkündete der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen und heutige EU-Abgeordnete David McAllister (CDU) unter dem Beifall der Delegierten in Neumünster, er könne sich eine bedeutendere Rolle für Günther vorstellen. Parteiintern gilt das Kieler Regierungsbündnis längst als Zukunftsmodell und der Kieler Regierungschef als „Kanzler-Reserve“. Doch dafür muss dieser den Wahlsieg von 2017 wiederholen. Gelingt ihm das, stehen Günther nach 2022 alle Wege offen. Bis dahin gilt sein Wort: „Das Schöne an Berlin ist, ich kann da immer ganz schnell wieder weg.“
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